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Kirchengemeinde
Wesel
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Transident in der Kirche

Wie Elke Spörkel-Hänisch mit ihrem Beispiel für „kreuz und queer“ eintritt

Elke Spörkel-Hänisch

Elke Spörkel-Hänisch, 65, ist derzeit im Kirchenkreis Wesel als Pfarrerin tätig und u.a. für die Seelsorge in Altenheimen in Wesel und Umgebung zuständig. Jahrelang war sie  Gemeindepfarrer*in  in der Kirchengemeinde Haldern sowie  Polizeiseelsorger*in. Ihr Outing und die damit verbundene Vornamens- und Personenstandsänderung fand vor knapp zehn Jahren statt. Mit ihr sprach in diesen Tagen Albrecht Holthuis.

Vom Pfarrer zur Pfarrerin - Transident in der Kirche: das ist der Titel einer WDR-Doku vom letzten Jahr, die deine Geschichte  erzählt und die viele auch bundesweit als ermutigenden Beitrag zum Thema wahrgenommen habe. Du warst in diesem Jahr im TV-Talk des Kölner Treff zu Gast, wurdest von WDR2 Moderatorin Steffi Neu im April  als eine "Mutmacherin" in einem Podcast porträtiert. Wie kam es dazu und wie betrachtest Du im Nachhinein die in letzter Zeit große mediale Aufmerksamkeit für die Sache, für die Du beispielhaft stehst?

Der Film, der mit mir produziert wurde, war ganz ungeplant. Junge Leute der Filmhochschule in Ludwigsburg haben sich bei mir gemeldet. Manuel Rees, der verantwortliche Autor, ist durch eigene Erfahrung auf das Thema Transidentität aufmerksam geworden und auch persönlich sehr kirchlich interessiert. Er ist dann auf die Suche gegangen nach Ansprechpersonen zum Thema Transidentität in der EKD und dabei auf mich gestoßen. Der Student ist umgehend von Ludwigsburg bei Stuttgart zu mir an den Niederrhein gekommen. Er war einfach mit seinem Anliegen sympathisch. Ich habe am Ende auch deshalb zugesagt, weil ich hier mit jungen Leuten zusammenarbeite konnte, die auch bereit waren das alles im Rahmen ihrer Seminararbeit zu machen und nicht reißerisch aufzuziehen. Der Film wurde dann später von der Hochschule an den WDR verkauft und hat inzwischen schon 3 Millionen Menschen erreicht.

Das Medieninteresse ist ein Geschenk weniger für mich sondern mehr für andere. Ich habe unglaublich viele Zuschriften bekommen und erfahren, dass der Film eine Hilfestellung für andere ist. Ich habe sehr viele Anfragen wegen einer Beratung bekommen, quer durch alle Generationen. Vor einiger  Zeit erreicht mich eine Anfrage von einem 82-jährigen, der letztes Jahr erst sein Outing hatte.

Was beschäftigt dich derzeit in puncto der LGBTIQ-Debatte in der Gesellschaft am meisten?

Dass Menschen immer noch ausgegrenzt werden. Der Paragraph 175, der homosexuelle Menschen benachteiligte, wurde erst in den 90er Jahren abgeschafft. Das Thema Transidentität ist erst in den letzten Jahren auf die Tagesordnung gekommen. Die Gesellschaft und die Medien sind auf dem Weg von mehr Toleranz, aber gleichzeitig gibt es auch Gegenbewegungen. Wenn ich  beispielsweise sehe, dass im Osten die AFD 25% Prozent Wählerzustimmung hat – eine Partei, die in ihrer Politik m.E. teilweise menschenverachtend ist -  dann  beschäftigt mich das schon sehr. Wir sitzen alle in einem Boot …

Worin bestehen die größten Schwierigkeiten für transidente Menschen und wie kann man sie aus dem Weg räumen?

Mit einer solchen Lebensveränderung, der Aufgabe seiner alten Geschlechtszugehörigkeit, bricht das Lebensfundament erst einmal total weg. Eine Hilfe kann dann eventuell sein, dass andere wie ich die Geschichte der Veränderung öffentlich machen. Es ist wichtig, dass es Ansprechpersonen und –-stellen gibt und damit kompetente Beratung. Klassische Beratungsstellen sind mit dieser Problematik überfordert. Deshalb haben wir auch eine Selbsthilfegruppe für den Niederrhein gegründet. Menschen, die spüren, dass sie transident sind, die kurz vor dem Outing stehen, denen muss man deutlich machen, dass sie nicht alleine sind. Sie sollten den schwierigen Weg nie allein gehen.

Wie betrachtest du die Haltung in der Evangelischen Kirche zu dieser Frage im Blick auf die letzten Jahre. Zeichnet sich ein Wandel ab? Wie kann man Transidentität und biblisches Menschenbild zusammendenken und wo ergeben sich Schwierigkeiten?

Veränderung braucht Zeit. Ich habe meine Kirche mit meiner Veränderung gefordert, wenn nicht überfordert. Ich hatte erfreulicherweise im Rahmen meines Outings vor einigen Jahren in dem ehemaligen Superintendenten Dieter Schütte einen großen Unterstützer. Jetzt sind zunehmend Veränderungen spürbar in der Kirche. In der EKD zeigen sich inzwischen einzelnen Landeskirchen an dem Thema sehr interessiert. Männerreferate, Frauenreferate, Bildungseinrichtungen klopfen an. Da ist in den letzten Monaten viel passiert.

Im Schöpfungsbericht wird häufig übersetzt: „Gott schuf sie als Mann und Frau“. Man könnte auch übersetzten: Gott schuf sie als „männlich und weiblich“. Wir haben alle männliche und weibliche Anteile in uns. Welcher Akzent mehr gelebt wird, das ist nach dem biblischen Menschenbild durchaus offen. Ich glaube, dass Evangelische Kirche der Vorreiter sein sollte, Menschen nicht in Schubladen zu stecken. Wir müssen lernen, dass es ganz viele Bereiche zwischen männlich und weiblich gibt

Spörkel im WDR-Fernsehstudio bei der Talkshow "Kölner Treff" Ende Februar 2021

Was kann man an der Gemeindebasis tun?

Durch Bildungsarbeit kann den Menschen vor Ort in den Gemeinden nähergebracht werden, dass es Transidentität gibt und welche Schwierigkeiten Betroffene haben. Er sollte kein Tabubereich sein. Die Transidentität sollte genauso wie das Thema Homosexualität ein Stück weit Normalität bekommen. Für mich war die Segnung als transidente Person eine ganz wichtige Erfahrung. Ich habe jetzt auch schon öfter eine solche Segnungen als Pfarrerin angeboten und durchgeführt und sehr berührenden Rückmeldungen bekommen. Wenn Kirchengemeinden hier Unterstützung bieten würden, wäre viel erreicht.

Du sprachst davon, dass du eine Selbsthilfegruppe begleitest. Magst Du etwas zu ihr sagen?

Zu Beginn wurden uns für die Gruppe dankenswerterweise die Räumlichkeiten des Jugendreferates im Kirchenkreis zur Verfügung gestellt. Inzwischen treffen wir uns immer am letzten Montag im Monat in der Weseler Gaststätte Quo Vadis, die von einem transidenten Menschen geleitet und geführt wird. Wir haben den Raum dort für uns von 18 bis 20 Uhr. Danach beginnt die normale Öffnungszeit des Lokals. Wir sind offen für Betroffene, aber auch für alle Angehörige. Es kommen dort normalerweise zwischen 20-25 Personen zusammen. Diese bunte Mischung stellte für viele schon eine große Hilfe dar.