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Wesel
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Fledermäuse im Gotteshaus?

Auf den Spuren der kleinen Nachttiere

Weil alles im Dom für die Ankunft der kleinen Säugetiere vorbereitet ist, lud die Naturstiftung Niederrhein vor einigen Wochen ein, das Projekt „Gottes Haus für Fledermaus“ anschaulich kennen zu lernen.

Nein, im Willibrordidom sind sie noch nicht, aber der Biologe Paul Schnitzler ist sich sicher: „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Fledermäuse den Dom entdecken.“

Und weil alles im Dom für die Ankunft der kleinen Säugetiere vorbereitet ist, lud die Naturstiftung Niederrhein ein, das Projekt „Gottes Haus für Fledermaus“ anschaulich kennen zu lernen.

Franz Wilhelm Ingenhorst konnte mehr als 20 Interessierte jeden Alters begrüßen. Die Naturstiftung Niederrhein hat sich zur Aufgabe gemacht, die naturnahe bäuerliche Kulturlandschaft des Niederrheins als Erlebnis- und Lebensraum zu fördern und zu bewahren. Sie unterstützt deshalb das Projekt der Biologischen Station Wesel. Der Wegfall von Versteckmöglichkeiten für Fledermäuse in den letzten Jahrzehnten hat zu einem Rückgang der Population geführt, dem die Biologen mit findigen Ideen entgegenwirken. Erfolgreich, denn inzwischen finden sich die Tiere in jedem zweiten Gotteshaus am Niederrhein.

Seit Anfang 2009 zeigt sich der Erfolg auch in der Kirche am Lauerhaas: Dort sind „Braune Langohren“ beobachtet worden. Die Friedenskirche hingegen war schon einmal Quartier für Fledermäuse, aber trotz „wunderbarer Möblierung“ finden die Tiere nicht den Weg dorthin zurück. Eine Besonderheit ist die für den Niederrhein äußerst seltene Art „Großes Mausohr“ , die im letzten Jahr in Bislich unerwartet entdeckt wurde.

Für den engagierten Biologen Paul Schnitzler beginnt der Erfolg aber nicht in der Kirche, sondern woanders: In einer Schule, einer Jugendgruppe oder bei den Pfadfindern. Ideen- und Ratgeber sind die Biologen, aber Kinder und Jugendliche sind die begeisterten Handwerker. Sie bauen Versteckkästen, die dann in den Dachstühlen der Kirchen aufgehängt werden und den Tieren als Unterschlupf dienen. Naturschutz zum Anfassen!

In Wesel wurden in der Evangelischen Grundschule an der Böhlstraße, mit Kinder- und Jugendgruppen am Lauerhaas und anderen Gruppen viele Versteckkästen gezimmert. Wo diese im Dachstuhl aufgehängt werden, erfuhren die Interessierten nach einer kurzen Einführung in das Thema des Abends:

Mit den fachkundigen Biologen Paul Schnitzler und Regina Müller sowie einer Fledermaus im Kasten ging es die Wendeltreppe hinauf auf die Gewölbedecke des Doms. Schnell wurde deutlich, warum hier bisher keine der Säugetiere zu beobachten waren: Dachstuhl, Gewölbedecken und Treppen sind nicht nur besucherfreundlich sauber, sondern auch Dank der sorgfältigen Instandhaltung durch den Dombauverein tadellos in Schuss. Eine Eigenschaft, die für Besucher, aber weniger für Fledermäuse angenehm ist, suchen sie doch Ritzen und Löcher, Höhlen und sonstigen Verstecke.

Damit die Fledermäuse den Dom von innen entdecken können, mussten erst einmal Einflugöffnungen her, möglichst mit Landebrettchen. „Das ist dann Komfort für die Tierchen!“, schwärmt Paul Schnitzler. Die Einflugöffnungen sind nur 3 cm schmal, prima für Fledermäuse, aber zu klein für die ungeliebten Tauben.

Warum die Fledermäuse die Versteckkästen im Dachstuhl trotzdem nicht nutzen, ist unklar. Am Glockengeläut kann es nicht liegen:“Das Glockengebimmel ist den Tierchen völlig gleichgültig, das macht ihnen gar nichts“, schmunzelt Paul Schnitzler. Auch am Klima unter dem Kirchendach kann es nicht liegen, weil die Fledermäuse es mal kuschelig warm mögen, es ihnen aber im Hochsommer manchmal zu heiß wird und sie weiter unten den kühleren Raum suchen und finden können.

Können Biologen nachhelfen? Nein, weil man nicht weiß, mit welcher Methode man die Tiere anlocken kann. Daher lassen sich die Biologen allerlei verrückte, aber möglicherweise hilfreiche Tricks einfallen: Der Kot von Fledermäusen wird verflüssigt und auf die Landebrettchen aufgetragen oder die (für die meisten Menschen nicht wahrnehmbaren) Ultraschall-Laute der Tiere werden aufgenommen und dann abgespielt. Vielleicht hilft eine Methode, um die faszinierenden Säugetiere anzulocken.

Nachweisen können Biologen die Fledermäuse übrigens nicht durch einen Blick nach oben, sondern nach unten: Während Fledermäuse und ihre Verstecke selten sichtbar sind, gibt ihr Kot einen Hinweis darauf, wo sie sich aufhalten, ihre Wochenstuben haben und Junge aufziehen oder in ihrem Winterquartier bei geringer Körpertemperatur und Herzfrequenz auf den Frühling warten.

Mit der Gruppe ging es dann vom Gewölbedach hinauf an den Glocken vorbei, bis die einmalige Aussicht über die Stadt und den Rhein erst einmal alle Aufmerksamkeit auf sich zog. Aber die Fledermaus, die in einem Kasten von der Biologin Regina Müller mitgebracht wurde, kam dann doch noch im Turmzimmer etwas verspätet zu ihrem Abendessen: Die vor Monaten stark verletzte und inzwischen liebevoll gesund gepflegte Fledermaus wartete auf die Fütterung von Mehlwürmern. Einmal wach geworden, verlangte sie energisch nach ihrer Nahrung, die sicherheitshalber mit einer Pinzette gereicht wurde. Jeder durfte sich als Tierpfleger versuchen und erhielt so einen intensiven Blick auf ein putziges Tier mit niedlichen Augen und Ohren, viel Fell und keinem Hinweis auf Blutsaugerqualitäten.

Mit einem Detektor machte sich dann ein Teil der Interessierten auf den Weg zum Rhein, um Fledermäuse aufzuspüren. Derzeit „schwärmen“ sie, um Quartiere für den Winter auszusuchen und sind deshalb in der Dämmerung häufiger zu beobachten.

Hoffentlich sind sie auch bald am Willibrordidom zu beobachten, der dann ein Gotteshaus mit Fledermaus ist. Und vielleicht sind Fledermäuse auch bald in anderen Gebäuden am Niederrhein zuhause, denn die Initiative heißt nicht „Gotteshaus für Fledermaus“, sondern feinsinnig „Gottes Haus für Fledermaus“!

Text und Bilder: Heike Kemper

 

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